In seiner wohl letzten eigenen Inszenierung »Der Aufsatz« zeigt Hausherr George Podt noch einmal alles, wofür die Schauburg steht.

Erzähler Peter Wolter, Video-Künstler Moritz  Schleissing, Musiker Greulix Schrank (v.l.)  ©DigiPott

Erzähler Peter Wolter, Video-Künstler Moritz
Schleissing, Musiker Greulix Schrank (v.l.)
©DigiPott

»Mein Papa ist gegen die Diktatur!« Ein Satz, der an Familientischen hierzulande zwischen anderen fallen könnte wie »Meine Mama ist Ingenieurin« oder »Mein Bruder mag gerne Kaiserschmarren«. Nun gut, jedenfalls ein zeitgenössisches Äquivalent. Bei Pedro aber ist es ganz anders. Der neunjährige Held von Antonio Skármetas Roman »Der Aufsatz« lebt in Chile nach Pinochets Militärputsch. Und gerade ist der Vater seines besten Freundes von Uniformierten abgeführt worden. Sein Sitznachbar in der Schule lebt mittlerweile auch allein mit seiner Mutter, und bei Pedro zu Hause wird es abends sehr still, wenn seine Eltern am Radio hängen und kettenrauchend verbotene Sender hören.

Und dann kommt eines Tages ein Ordensträger in die Klasse und bittet die Kinder, einen Aufsatz über zu Hause zu schreiben, über Eltern und Freunde und was sie so machen: »Ganz ungezwungen und frei« heißt es in der Schauburg, wo George Podt Skármetas mit dem UNESCO-Preis ausgezeichnete Geschichte auf die Bühne gebracht hat. Die Art und Weise, wie er das tat, zeigt noch einmal ganz deutlich, was das Theater der Jugend unter Podts Leitung ein gutes Vierteljahrhundert lang ausgemacht hat.

So grausam der Alltag unter einer Zwangsherrschaft ist, so voll ist er auch von Schönem und Banalem

Peter Wolter sitzt in der Mitte der Bühne über ein Schachspiel gebeugt, erzählt behutsam und verschiedene Rollen nur sachte antäuschend. Hinter ihm sitzen an drei Pulten die Musik- und Geräuschemacher Taison Heiß und Greulix Schrank sowie der Videokünstler Moritz Schleissing, der Bilder an vier Leinwände wirft, auf denen in Jacky Gleichs kühnem und zugleich präzisem KinderbuchIllustratorinnen-Strich zu leichte Fußbälle Flügel bekommen, Finger in Kindernasen verschwinden oder Soldaten vorbeimarschieren – und immer wieder sieht man große neugierige und zugleich verängstigte Augen.

Denn so grausam der Alltag unter einer Zwangsherrschaft ist, so voll ist er doch auch von Schönem, Banalem – und von Fröhlichkeit.Und obwohl es erklärte Schauburg-Absicht ist, Kindern die grausameren Aspekte der Realität nicht vorzuenthalten, von denen schließlich auch heute noch viele Minderjährige betroffen sind, lassen Bilder und Erzählung Pedro alias Chico, den Kleinen, sportliche Erfolge feiern, erste Küsse bedauern und zwischen kühlem Wasser und einem Dach aus Blättern einfach nur Kind sein. Was das aber auch bedeutet, zeigt seine scharfsinnige Reaktion auf den Aushorchversuch durch das Militär, die nicht verraten werden soll. Nicht alles ist leicht verständlich an der Aufführung für Kinder ab 9 Jahren: Sie lässt sich zwischen den Szenen oft unglaublich viel Zeit, spielt die letzte Rede Salvador Allendes auf Spanisch ab und erzeugt ganz unzeitgemäß mit kratzenden Schreibfedern und tickender Uhr Spannung.

Doch gibt dieser fein gesponnene Stoff genügend Gesprächsanlässe für den abendlichen Familientisch. Dort könnte man etwa erklären, welche Rolle früher das Radio spielte und gemeinsam zurückgehen zu Zeiten, in denen Informationen über Gott und die Welt noch nicht pausenlos und ungefragt aus allen Ritzen quollen. Ja, auch um die eigene Jugend könnte es dabei gehen – um dabei vielleicht einmal mehr zu lernen, wie aufmerksam und klug auch die heutige ist. ||

DER AUFSATZ
Schauburg| 4. Feb.| 19.30| 7. Feb.
10.30 und 19 Uhr | 8. Feb.| 10.30 Uhr | Tickets:
089 2333715580 | Website

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