Die grandiose Ausstellung »Fünf Freunde« zeigt John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly als Kunst-Kollaborateure und Lebens-Partner.
Fünf Freunde
Bett und Bild

Merce Cunningham in »Antic Meet« | 1958 | Foto: Richard Rutledge | © Courtesy of the Merce Cunningham Trust and the Jerome Robbins Dance Division, The New York Public Library
Man kann auch anders anfangen beim Besuch im Brandhorst Museum, nämlich ganz oben: bei Cy Twomblys farbenglühendem Lepanto-Zyklus (2001) und den großen Rosen-Bildern (2008) der späten Jahre. Um dann in der Sonderausstellung seinen Anfängen nachzugehen im Kreis der Freunde. Twombly saß 1952 im Publikum, als ein neues Kapitel Kunstgeschichte geschrieben wurde: Am Black Mountain College fand im Speisesaal ein einmaliges »untitled event« statt, bekannt auch als »Theater Piece No. 1«, das den Beginn der Performance Art und Aktionskunst markiert. John Cage – der Komponist der Stille, des Zufalls und der Alltagsgeräusche und Theoretiker des Experimentierens – hatte einen zeitlichen Ablaufplan so erstellt, dass die beteiligten Musiker, Dichter*innen, Tänzer und Maler ihre Aktionen in die Tabellen eintragen konnten, völlig frei (und unabhängig voneinander), was sie jeweils wann tun wollten. Texte wurden verlesen, seltsame Musiken ausgeführt, Wasser aus einem Eimer in einen anderen gegossen. Merce Cunningham tanzte zwischen den geometrisch formierten Stuhlreihen, verfolgt von einem Hund, der zuvor neben dem Grammophon gesessen hatte, als der Maler Robert Rauschenberg Schelllackplatten abspielte. Rauschenberg projizierte auch Filmschnipsel und abstrakte Dias und präsentierte weiße Gemälde.
Diese weiße Malerei hatte er zuvor gemeinsam mit Twombly begonnen, der wie Rauschenberg Kurse am College besuchte. Mitgemalt hat Twombly vermutlich auch am berührenden Montage-Bild »Bed« (1955). Rauschenberg bestückte eine hochformatige Leinwand mit seinem eigenen Bettzeug: einem Laken, einem Kissen und einer Steppdecke, die er bemalte und mit expressiven Farbgesten- und -spuren versah. Und Twombly sind wohl die Kritzel-Linien auf dem weißen Kissen zuzuschreiben. Rauschenberg nannte das Werk »eines der freundlichsten Bilder, die ich je gemalt habe« und einen »Blumenstrauß der schönsten Momente im Bett«. Twombly arbeitete 1953–1955 mit in Rauschenbergs Atelier; er hat auch das echte Bett dort fotografiert – und später nach Rauschenberg-Fotos von Bettzeug-Situationen Grafiken gemacht, die intim den Körper evozieren, der das Bett benutzt hat.

Cy Twombly: Robert Rauschenberg (Tetuan, Morocco) | 1952 | Farbiger Dryprint auf Karton, Edition 10/12, 34,2 x 27,9 cm | Foto: Cy Twombly Udo und Anette Brandhorst Sammlung © Cy Twombly Foundation, Scan: Nicole Wilhelms, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München
Wie in vielen anderen Exponaten der Ausstellung, die die künstlerischen Kollaborationen fokussiert, aber eben auch die Partnerschaften, Liebschaften, Freundschaften der fünf Künstler in den Blick nimmt, wird hier eine intime Sensibilität spürbar, die die Freiheit, Offenheit und radikale Materialität und reflektierte Weltbezogenheit der Werke mit bestimmt.

Robert Rauschenberg, Untitled, John Cage, Black Mountain | 1952 | Gelatin silver print, 37,5 x 37,5 cm | Foto: Robert Rauschenberg, © Robert Rauschenberg Foundation
Die Ausstellung, eine Herzensangelegenheit der Kuratoren Achim Hochdörfer (Museum Brandhorst) und Ylmaz Dziewior (Museum Ludwig) für ihre Hausheiligen, und der instruktive Katalog weisen auch auf die sexuellen Konnotationen vieler Werk-Details hin, auf die damals geächtete und beschwiegene Homosexualität im Leben. Rauschenberg und Cage waren zuerst heterosexuell verheiratet; der Musiker Cage und der Choreograf Cunningham waren seit den 1940er Jahren künstlerisch eng verbunden und zugleich Lebenspartner (und beide Dozenten am experimentell und interdisziplinär ausgerichteten Black Mountain College); Rauschenberg und Twombly hatten sich 1951 kennen und lieben gelernt. Twombly verließ Rauschenberg wegen dessen Liebschaft mit Jasper Johns, der 1954 als fünfter in den Kreis der Freunde eintrat, und zog nach Italien; es waren dann Rauschenberg und Johns, die Seite an Seite arbeiteten und das Konzept der Malerei als Objekt vorantrieben, bis sie sich 1961 trennten. 1954–1964 war Rauschenberg – ihm folgte der zuvor assistierende Johns – Ausstatter und künstlerischer Berater der revolutionären Merce Cunningham Dance Company, deren Objekte und Kostüme die Ausstellung mit prägen und speziell im Untergeschoß die Interdisziplinarität, Experimentierfreude und den Ideenreichtum dieser fünf Freunde veranschaulichen: eine Kunst, die sich stets die Freiheit nahm, sich mit dem realen Leben zu verbinden. ||

Cy Twombly in der Stable Gallery, New York City | 1953 | Selbstporträt | © Fondazione Nicola Del Roscio
FÜNF FREUNDE
Museum Brandhorst | Theresienstr. 35A | bis 17. August | tägl. (außer Mo) 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr | der aufschlussreiche Katalog (Schirmer Mosel, 332 S., 415 Abb.) kostet im Museum 38 Euro | Konzert des BRSO zu Cage, 17. Juni, 19 Uhr | Film zu Cunningham, 2. Juli, 18.30 Uhr | Info zu Führungen und Workshops

Robert Rauschenberg, Porträt von Jasper Johns | 1955 | Foto: Robert Rauschenberg, © Study Collection. Robert Rauschenberg Foundation, New York
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