Ann Marboe inszeniert mit Eugène Ionescos »Die Nashörner« den Weg in den Totalitarismus als Party.

Die Nashörner

Ich möchte (k)ein Nashorn sein

die nashörner

Maximiliane Haß als Behringer | © Gabriela Neeb

Eugène Ionesco entwirft in seinem absurden Theaterstück »Die Nashörner« eine Gesellschaft, in der eine nach dem anderen zum Nashorn wird. Warum? Das bleibt offen, ist ja schließlich absurdes Theater. Die Regisseurin Anna Marboe hat das Stück nun am Volkstheater inszeniert und sich von einer KI einen Song komponieren lassen, der immer wieder in verschiedenen Varianten ertönt. Mal als Partyhit, mal Schlager-soft, mal Rammstein-hart. »Ich bin voller Ekstase, ich bin ohne Zorn. Ich hab ein Horn auf der Nase, auf der Nase ein Horn«, tönt es aus den Lautsprechern, und das Ensemble verfällt wie auf Knopfdruck in Tanzstimmung.

Überhaupt ist dieser Abend auch jenseits der Choreografien von Felicia Nilsson ein sehr körperlicher. Slapstick allerorten. Die Bühnen- und Kostümbildnerinnen Helene Payrhuber und Sophia Profanter haben eine zunächst ziemlich zweidimensional wirkende Kulisse erschaffen, die sich erst nach und nach in die Tiefe öffnet und entwickelt. Zwischen glatten Wänden fristen die Menschen hier ein Dasein zwischen sinnfreier Maloche und wenig spritziger Freizeit. Nicht nur ihre Kleidung ist ziemlich kariert, häufig kleinkariert. In dieser bürokratisch-tristen Welt sind die Nashörner mit ihrer Partyattitüde exotisch. Sie sind eine verführerische Alternative, versprechen Spiel, Spaß und Spannung in einem von Routine und Ödnis geprägten Alltag. Sie tragen keine furchteinflößende Fratze. Gut, ein Kätzchen wird da schon mal totgetrampelt, aber sonst? Coole Typen, diese Nashörner.

Im Zentrum steht Maximiliane Haß als Antiheld Behringer, der als Einziger bleibt, was er ist: ein eher träger Mensch, der sich weniger bewusst gegen das Nashornsein entscheidet als vielleicht einfach zu schwerfällig ist für eine derartige Veränderung. Sein Interesse gilt Daisy, die Steffen Link mit Hang zur großen Attitüde spielt. Zwischen den beiden entwickeln sich schöne Szenen des Werbens und Versteckens. Die anderen Anwesenden verstricken sich in der Logik des Unlogischen, die nach einigen Fehlschlüssen auch beweist, dass Sokrates eine Katze war. Pauline Fusban, Carolin Hartmann, Lorenz Hochhuth, Nils Karsten und Jonathan Müller haben sichtlich Vergnügen am Absurden, werfen sich mit einer Körperlichkeit in die Szenen, die Lust macht auf dieses Stück Theater.

Ionesco schrieb sein Stück Ende der 1950er Jahre als Kritik an totalitären Regimen. Wie sich die Menschen nach und nach in unkritische Herdentiere verwandeln und jede Individualität aufgeben, um in der Nashorngruppe aufzugehen; wie aus Einzelnen eine Massenbewegung wird und nach und nach alle gleichgeschaltet werden, das hat an Brisanz nicht verloren. Anna Marboe setzt in ihrer Inszenierung auf die kollektive Ekstase und den Witz im Stück. Ihre Nashörner versprechen Musik und Tanz und ein leichteres Leben. Gute Laune eben. Geht dabei die Brisanz des Textes verloren? Nein. Hier ist alles so lustig, dass es schon wieder unheimlich ist. Die Verführung der Massen, hier ist sie quietschgrün und erschreckend gut gelaunt. Und doch bleibt ein mulmiges Gefühl, als am Ende die Herde im Gleichschritt tanzt und Behringer konstatiert, dass er »der letzte Mensch« sei. ||

DIE NASHÖRNER
Volkstheater | Tumblingerstr. 29 | 18. Mai, 2. Juni | 19.30 Uhr | Tickets: 089 5234655

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