Gasteig-Geschäftsführerin Stephanie Jenke spricht mit Christiane Pfau über Denken in unruhigen Zeiten und über das Potential des Hauses.

1985 wurde der Gasteig in Haidhausen eröffnet. Der prominente Klinkerbau an der Rosenheimer Straße entwickelte sich zu Europas größtem Kulturzentrum, mit Konzerten und Ausstellungen, Theater- und Filmfestivals, Vorträgen und Diskussionen. Der Gasteig vereint unter einem Dach die Münchner Philharmoniker, die Münchner Stadtbibliothek, die Münchner Volkshochschule und die Hochschule für Musik und Theater München. Täglich gingen bis zu 12.000 Besucher ein und aus, die MitarbeiterInnen der Gasteig München GmbH und der dort tätigen Institute nicht eingerechnet. 2021 zog der Gasteig ins neu errichtete Interim in der Sendlinger Hans-Preißinger-Straße 8. Jetzt wird gefeiert: der Gasteig wird 40 Jahre alt. Stephanie Jenke führt seit 1. Oktober 2023 die Gasteig-Geschäfte. Sie kennt den Gasteig seit vielen Jahren wie ihre Handtasche. Als persönliche Referentin der damaligen Geschäftsführerin Brigitte v. Welser und Justiziarin des Kulturzentrums hat sie die Stürme um die Renovierungspläne des Gebäudes in Haidhausen bis zur Inbetriebnahme der Interimsspielstätte unmittelbar miterlebt. 2023 übernahm sie den Stab von Max Wagner, unter dessen Ägide das Gasteig-Interim gebaut und glücklich eröffnet wurde. Geplant war zunächst ein Jahr als Interimsgeschäftsführerin am Interimsstandort. Daraus wurde mehr: Stephanie Jenke bleibt auch für die nächsten fünf Jahre als Kapitänin an Bord.

Münchner Feuilleton: Wie fühlt es sich an, fünf Jahre vor sich zu haben?

Stephanie Jenke: Das ist eine gute Perspektive, weil man mit Blick auf fünf Jahre schon was anderes machen kann, da musst du strategisch denken, nicht nur fürs nächste Jahr. Da können und müssen wir weiter in die Zukunft schauen. Wie ist die Situation auf dem Markt? Was sind die Anforderungen aus der Gesellschaft? Was brauchen wir? Wie müssen wir uns selber aufstellen als Firma, personell et cetera.

Was hat sich verändert, seit du da bist?

Es sind verschiedene Sachen, die sich verändert haben, nach Jahren der extremen Unruhe und Veränderungen durch den geplanten Umzug ins Interim, nach der Pandemie, sind wir jetzt wirklich an diesem Standort in Sendling angekommen. Der Bau des Gasteig HP8 mitten in der Pandemie war ein wahnsinniger logistischer Aufwand. Jetzt sind wir hier und wissen auch aufgrund der verzögerten Generalsanierung, dass wir hier länger sein werden. Das ist eine andere Perspektive, als wenn du sagst, ich bin da nur fünf Jahre. Das heißt, wir müssen jetzt überlegen, was machen wir mit diesem Standort? Wo wollen wir hin? Was sind die Potenziale hier, die wir noch weiter ausschöpfen können? Das ist die grundsätzliche Aufgabe. Was bieten die Räume noch? Wie können die Kooperationen mit den hier angesiedelten Instituten weiter zum Blühen gebracht werden? Das schwappt dann über zu den Fragen, die uns alle beschäftigen: Wo stehen wir als Gesellschaft, welchen Anforderungen müssen wir uns stellen? Und da war der Gasteig ja immer schon das, was jetzt als dritter Ort beschrieben wird. Im Gasteig ist schon immer wahnsinnig viel passiert, von den Gastveranstaltungen bis zur Bibliothek und allen Bereichen, in den geprobt und gelernt wurde. Es gab immer schon unsere Foyers, in die man einfach reinkommen konnte, um sich mal hinzusetzen und sich inspirieren zu lassen. Diese Seite vom Gasteig ist mir besonders wichtig: also nicht nur die phantastischen Veranstaltungen mit den Experten, ob das die Volkshochschule ist, die Stadtbibliothek oder die Münchner Philharmoniker. Wir sind mehr als ein Konzerthaus. Der Gasteig ist ein öffentlicher Raum der Begegnung, des Austauschs und auch ein Ort, wo Impulse aufgenommen werden aus der Gesellschaft oder gegeben werden können, in die Gesellschaft hinein. Das machen wir mit unseren Festivals, mit Veranstaltungsreihen und besonderen Formaten, wie zum Beispiel mit Community Dance oder dem Mental Health Arts Festival, die wir eben genau hier anbieten können, weil hier die Kooperationsmöglichkeiten und Räume und Flächen zur Verfügung stehen.

Mehr Transparenz, mehr Offenheit, mehr Luft, mehr Raum: der sanierte Gasteig mit der gläsernen Brücke (Rendering) | © Henn

 

Der Gasteig als Gesamtkunstwerk?

Brigitte v. Welser hat ja angefangen, tatsächlich das Haus gesamthaft zu bespielen. Also neben der Exzellenz von den einzelnen Instituten, die ganz viel anbieten, auch die gesamte Bespielung in den Blick zu nehmen. Der Brückenschlag auch zu Menschen, die mit Kultur oder Bildung bisher noch nicht so viel zu tun hatten und da einfach mal reinschnuppern wollen, das ist das, was wir jetzt sehr viel mehr machen. Das ist genau das, was den Gasteig schon immer getragen hat. So erreichen wir auch Personen, die vielleicht für ganz was anderes gekommen sind. Denen wollen wir die Möglichkeit bieten, ganz informell, ganz ohne Anmeldung einfach mal was auszuprobieren, sich was anzuhören und anzuschauen. Beim Go Drag Festival hatten wir hier so ein informelles Pre-Opening, das war genau das, was wir hier wollen. Da kamen die Gäste für die Festivaleröffnung und haben sich gemischt mit dem Klassik-Publikum, das abends zum Konzert in der Isarphilharmonie kam. Oder der Tänzer und Choreograf Matteo Carvone, der im Saal X Vorstellung hatte, und wir hatten ausgemacht, dass er an drei Terminen mit kleinen Tanzinterventionen den Platz und das Foyer kapert, bevor die anderen Veranstaltungen abends losgehen. An dem Tag war schönes Wetter, und das Publikum stand draußen und wunderte sich, warum da jemand zwischen ihnen tanzte. Das darf auch mal irritieren, es darf anregen zum Überlegen, zum Hinschauen, zum Entdecken. Das ist für mich das tolle Potenzial, was wir hier haben: dass der Zufall auch ein bisschen mitspielen darf.

Das gesamte Interview finden Sie in der aktuellen Ausgabe. Hier geht es zum Kiosk.

 


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